Tour Südtiroler Pässe mit 125ccm? Na klar! - Ein Bericht

Kosmowautz

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Honda DAX st125
Hallo zusammen,

Ich hatte ja bereits vergangenen Herbst hier im Forum mal anklingen lassen, dass ich vorhabe die großen Pässe dieser Alpen in Angriff zu nehmen.
Am Montag war es dann soweit und ich habe meine Pläne (recht spontan und kurzfristig) in die Tat umgesetzt. Da ich und meine Frau im Oktober unser erstes Kind erwarten, war mir klar: entweder jetzt oder erst in sehr, sehr ferner Zukunft. Also besser jetzt.

Vorab sei gleich erwähnt: Das Moped der Wahl für die Tour wurde nicht meine geliebte Crossfire 125, sondern die Honda Dax. Ja, ich weiß: Frevel!
Ich wäre die Strecke zwar furchtbar gern mit der Brixton gefahren, aber nach langen tüfteln und überlegen, war mir klar dass ich auf der schmalen und kurzen Sitzbank der Crossfire mein Gepäck einfach nicht sicher befestigen kann. Die Dax bot da einfach mehr Möglichkeiten meinen Seesack festzuzurren.
Ich wollte meine Erfahrungen hier trotzdem mit euch teilen. Vielleicht hat der eine oder andere ja Freude dran und fühlt sich ermutigt ähnliches auch zu wagen. Ich hoffe das ist okay und ihr steinigt mich nicht dafür. 😁

1. Tag - Montag - Silvretta Hochalpenstraße
In der Früh machte ich mich also mit wahnwitzigen 9PS unterm Hintern los in Richtung Süden. Die Alpen bereits fest im Blick. Da ich im Allgäu lebe war die „Anreise“ im Grunde eine Sache von einer Stunde und nicht der Rede wert. Am Abend des ersten Tages wollte ich das Ötztal erreicht haben.
Aber der Reihe nach.
Als erstes ging es in Richtung Bregenzer Wald zum Faschinajoch bei Damüls. Mit einer Höhe von 1486m ü.M. und einigen schönen Spitzkehren genau richtig und warm zu werden. Buchstäblich, denn obwohl in den Tälern die Sommerhitze brannte, war es auf der Passhöhe zu meinem Erstauen wirklich frisch. Der Pass war aber schnell erklommen und es ging wieder runter ins Tal in Richtung Bludenz. Als nächstes Etappenziel und gleichzeitig eines der Highlights der ganzen Tour stand die Bieler Höhe auf der Silvretta Hochalpenstraße auf dem Programm. Für sich allein schon einen Trip in die Alpen wert und ohne Zweifel eine der großen Traumstraßen im Alpenraum.
Jetzt wurde es schon sportlicher für die Dax, denn die Passhöhe liegt auf stattlichen 2037m.
Es ging aber erstaunlich gut und ich konnte die Kehren fix nehmen. Nur ganz oben ging der Dax schon spürbar die Puste aus. Ein kleiner Vorgeschmack auf das, was mich auf den Pässen Südtirols noch erwarten würde.
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Auf der Bieler Höhe machte ich bei strahlendem Sonnenschein und atemberaubenden Blick auf die Gletscher(reste) des Piz Buin (3312m) eine halbe Stunde Pause. Weiter ging es dann bergab Richtung Ischgl ins Paznauntal. Von dort aus zog sich die restliche Tagesetappe bis in Ötztal zäh wie Kaugummi, aber ich musste noch einiges an Strecke machen, denn die Etappe für den nächsten Tag würde wieder ziemlich fordernd werden.
Der erste Tag in Zahlen: 370 km, 7 Stunden im Sattel, 6.380m bergan, 5.670m bergab.
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Das Abendlager wurde dann im schönen Umhausen im Ötztal aufgeschlagen und der Tag voller Stolz mit einem Bierchen begossen.

Tag 2 - Dienstag - Pässe, Pässe und noch mehr Pässe

Am Morgen des zweiten Tags schwang ich mich nach einem ausgiebigen Frühstück gut gelaunt und bei strahlendem Sonnenschein vor dem Hotel auf meine Dax, nur um mir bei eben dieser Bewegung vor versammelter Mannschaft die Jeans an entscheidenden Stellen lautstark einzureißen. Shit. Nur schnell weg hier :D
Das erste Ziel war das legendäre Timmelsjoch auf 2509 Metern über dem Meer. Mein Tor nach Südtirol. Auf dem Weg nach oben wurde selbstverständlich der obligatorische Stop am Top Mountain Museum eingelegt. Inklusive Foto natürlich. Darauf nicht zu erkennen: Die immernoch gerissene Jeans. Aber ganz ehrlich, ich war zu dem Zeitpunkt schon so euphorisch, dass es mir einfach egal war 😝
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Die Maut wurde entrichtet und nun sollte es los gehen. Rauf auf den Pass. Ich war aufgeregt wie ein kleiner Junge.
Bei bestem Wetter und bemerkenswert wenig Verkehr ging es Kehre um Kehre hinauf. Ich hatte die Straße über weite Strecken im Grunde für mich allein. Ich machte immer wieder halt und genoss die sagenhafte Landschaft, die Ruhe und den Moment. Nach jedem Stopp und dem anschließenden erneuten Anlassen des Motors machte sich die Höhe allerdings immer deutlicher bemerkbar. Die Dax bekam schlecht Luft…
Aber: Alles kein Problem. Ein paar mal ordentlich am Gashahn gedreht und sie schnurrte wieder bereitwillig.

Oben angekommen war es dann natürlich vorbei mit der Einsamkeit.
Auch hier wurden die obligatorischen Fotos geschossen, an denen ich euch natürlich teilhaben lasse.
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Somit war also die italienische Seite des Passen erreicht und Südtirol lag mir zu Füßen. Ich dachte, der Verlauf des bisherigen Passes ließe sich nicht eigentlich nicht mehr toppen, doch die italienische Seite war dann nochmal von einer ganz anderen Welt. Schwer in Worte zu fassen. Ich kam aus dem Stauen nicht mehr raus. Die schroffe Natur und die Spitzkehrern die einen förmlich spüren lassen, was für unmenschliche Kraftanstrengungen es gekostet haben muss, dem Berg diese Straße abzuringen. Zeitweilig musste ich mich wirklich immer wieder selbst ermahnen aufmerksamer zu fahren, weil es abseits der Straße so viel zu bestaunen gab.
So schlängelte sich mein Weg also talwärts nach St.Leonhard im Passeiertal. Dort machte ich Mittagspause und verdaute die gewonnenen Eindrücke etwas.
Der nächste Pass stand nämlich quasi nahtlos auf der Agenda. Der Jaufenpass (2094m) in Richtung Sterzing. Inzwischen war es ordentlich warm geworden und ich konnte einige Schichten meiner Motorradkleidung im Gepäck verstauen. Auch die gerissene Hose wurde gegen eine andere ausgetauscht. Somit konnte ich den Pass buchstäblich erleichtert in vollen Zügen genießen.
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Circa eine Stunde später war auch dieser Pass in Richtung Norden überschritten und ich wandte mich ohne weiteren Zwischenstopp gleich wieder Süden entgegen. Next Stop: das Penser Joch (2211m) in Richtung Sarntal und Bozen. Ein weniger frequentierter Pass als die anderen der Gegend, aber für mich grade dadurch absolut lohnenswert.
IMG_6402.jpegIMG_6405.jpeg#helmabdruck😜

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Auf der Passhöhe angekommen, lachte mich der Kaiserschmarn der dortigen Gaststätte dermaßen an, dass ich einfach einkehren musste. Beim bezahlen fragte mich die nette Kellnerin, wo ich mit dem kleinen Moped heute denn noch hinwolle, denn der österreichische Wetterdienst melde für die nächsten Stunden wohl extremes Unwetter mit Hagel und allem drum und dran. Das war MIR zu dem Zeitpunkt gänzlich neu, denn alle Wetterberichte, die ich am Morgen noch gecheckt hatte sagten einen herrlichen Tag vorher. Ein schneller Blick aufs Handy brachte dann sofortige Gewissheit. Da braut sich war ungutes zusammen. Wer schonmal ein Gewitter in den Bergen erleben musste, der weiß wie schnell und wie heftig solche Gewitterzellen aufziehen können.
Und es waren noch 50 kurvige Kilometer bis Bozen. Also war die Frage: Gehen oder bleiben. Ich entschied mich zu loszufahren und hatte damit (Gottseidank) auf die richtige Karte gesetzt, denn das extreme Gewitter streifte Bozen nur. Dieses Mal kam ich also ungeschoren weg. Das sollte sich allerdings im Weiteren Verlauf der Reise noch ändern.
Ich setzte meine Fahrt von Bozen nach Meran fort und bezog dort mein Zimmer für die Nacht.
Der zweite Tag in Zahlen: 200km, 7,5 Stunden unterwegs, 5.260m bergan, 6.003m bergab.
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Tag 3 - Das Stilfserjoch und die laaaange Heimreise

Der dritte Tag begann im schwülwarmen Meran bei 26 Grad am frühen Morgen mit inzwischen schmerzenden Rücken aber voller Vorfreude auf die bevorstehenden Strecken der Reise. Beim Frühstück wurde nochmal das Wetter für die unterwegs liegenden Orte gecheckt. Inklusive aller Pässe versteht sich. Und da sah alles wunderbar aus. Also auf zum Stilfser Joch. Das nächste große Highlight auf meinem Trip.
Auf dem Weg dorthin fuhr ich unter wolkenlosem Himmel durch das wunderschöne Vinschgau.
In Stilfs angekommen wurden die ersten Kehren absolviert und der Blick öffnete sich in Richtung Ortlergruppe. Und was sich um die Berggipfel abzeichnete ließ nichts gutes erwarten.
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Die Kehren schlängelten sich immer weiter den Berg hinauf und je weiter ich nach oben kam, desto weniger konnte ich die Szenerie genießen, denn mir wurde klar, was das Wetter für mich bereithalten würde. Dann öffnete Petrus alle Schleusen und die Sintflut ergoss sich über mich und meine Mitstreiter auf Motorrad und Rennrad. Es waren noch 5 Kehren bis zur Passhöhe. Die mussten noch bezwungen werden.
Oben angekommen suchte ich dann nur noch Schutz in einem der Souvenirshops. Die Bilder können nicht im geringsten wiedergeben, was sich für Szenen abspielten. Einen solchen Wolkenbruch hatte ich bis dato noch nie erlebt.
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Klatschnass wartete ich ab, bis sich das Wetter besserte.
Motorradfahrer halten ja so schon zusammen, aber ein solcher Regenschauer schweißt Fremde auf einer Passhöhe nochmal auf eine ganz andere Art zusammen. Alle erkundigten sich, ob es den anderen denn auch gut ginge und Neuankömmlinge, die das Pech hatten noch weiter unten am Pass zu sein, als der Wetter schlechter wurde wurden mit offenen Armen empfangen. Irgendwie war es auch schön so etwas miterlebt zu haben.
Eine eisig kalte halbe Stunde (eine gefühlte Ewigkeit) später verzogen sich die Wolken schlagartig und die Sonne scheint vom blauen Himmel als wäre nichts gewesen. Der Ortler zeigte sich und seine Gletscher und die Welt schien wieder in Ordnung zu sein.
Auch das triumphale Bild vor dem Pass-Schild konnte bei Sonnenschein aufgenommen werden.
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Auf dem Bild sieht man allerdings nicht, dass mir auch zu diesem Zeitpunkt noch das Wasser in den Schuhen stand. Aber das war mir in diesem Moment alles egal. Ich war einfach nur überglücklich und freute mich auf den bevorstehenden Umbrailpass hinunter ins Münstairtal.
Doch bevor es weiter gehen konnte, musste mein Moped erst wieder anspringen. Das Stilfser Joch war der höchste Pass der Tour und die schwächen der Dax in der Höhe hatten sich ja bereits auf den vergangenen Kilometern gezeigt. Nun war also wirklich aktive Beatmung angesagt.
Am Ende konnte ich den Motor bergab rollend zum laufen bringen. Mein Gott, war ich erleichtert. Es konnte weiter gehen.

Ähnlich wie auch schon auf dem Pass übers Penser Joch konnte ich auch den Umbrailpass nahezu alleine genießen und kam voller Glücksgefühle bei Sonnenschein im schönen Münstairtal an. Vor dort aus ging es weiter zum Reschenpass. Auch hier wurde natürlich ein Foto für die Daheimgebliebenen geschossen.
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Von dort ging es weiter ins Inntal nach Imst. Denn dort befindet sich das südliche Ende der Hahntennjochstraße. Über kurvige 1894m ging es Richtung Norden ins Lechtal und von dort aus über den Gaichtpass (1093m) ins Tannheimer Tal. Weiter übers Oberjoch (1178m) zurück nach Deutschland ins schöne Allgäu.
Der dritte Tag in Zahlen: 332km, 8 Stunden Fahrtzeit, 6.854m bergan, 6.500m bergab.
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Dann war es geschafft. 800km wurden zurückgelegt. 11 Pässe. 3 Tage. Einfach ein Wahnsinns Ritt!!
Eine der besten Erfahrungen meines Lebens und ich kann jedem, der mit dem Gedanken spielt so etwas zu machen einfach nur sagen: MACH ES! Es wird sich lohnen! Auch, oder grade MIT, einer 125er. Es ist eine helle Freude.


Danke fürs lesen
 

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Chapeau, 9PS und hohe Pässe.

Sehr schöne Tour, super Beschreibung und tolle Erlebnisse.

Du kannst Dich jetzt auf Deinen Nachwuchs konzentrieren und Deine Reise im Gedanken nachklingen lassen.
 
Wunderbarer Bericht und super Bilder!! Danke😍
Konnte einen großen Teil der Strecke nochmal miterleben, wir sind vor ein paar Wochen dort durch und Dank deinen Bildern hab ich nun das Trimmelsjoch mit blauen Himmel gesehen, bei uns war Nebel 😁.
 
Bravo, Faszination spürbar…, wenn einen die Strecken vom Auto aus beeindrucken, wie müssen sie erst mit 9ps unterm popo begeistern. Der Regenguss das i Tüpfelchen der Beschreibung. Schönes Erlebnis.

…und nun alles Gute für die bevorstehende Familienerweiterung!✌🏻
 
Nicht schlecht...... geht allerdings auch mit uralten 70ccm. Mein RE-Kumpel (mit dem ich neulich den weltweit einzigen 750cc RE Bullet Einzylindermotor gebaut habe) hatte es getan:
Dauer 11 Tage
Gesamtstrecke 3375 Km
Pässe 24
Höchster Paß Cole de Bonette 2802 Meter
Größte Steigung 23,5 %
Länder Deutschland,Österreich,Italien,Frankreich
Höchste Geschwindigkeit 101 kmh (GPS)
Gesamtverbrauch 89,19 Liter
Getankt 19 Mal
Durchschnittsverbrauch 2,62 Liter
längste Tagesetappe 528 km
Höchste Temperatur 41'
Verluste 1 Ölkanister (auf der Tanke stehen lassen)
Schäden Zündung Grundpl. gebrochen, aus Bestand ersetzt
Schwimmerkammerdichtung, mit Dirko Silikon ersetzt
>>> und womit??
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Nicht schlecht...... geht allerdings auch mit uralten 70ccm. Mein RE-Kumpel (mit dem ich neulich den weltweit einzigen 750cc RE Bullet Einzylindermotor gebaut habe) hatte es getan:
Dauer 11 Tage
Gesamtstrecke 3375 Km
Pässe 24
Höchster Paß Cole de Bonette 2802 Meter
Größte Steigung 23,5 %
Länder Deutschland,Österreich,Italien,Frankreich
Höchste Geschwindigkeit 101 kmh (GPS)
Gesamtverbrauch 89,19 Liter
Getankt 19 Mal
Durchschnittsverbrauch 2,62 Liter
längste Tagesetappe 528 km
Höchste Temperatur 41'
Verluste 1 Ölkanister (auf der Tanke stehen lassen)
Schäden Zündung Grundpl. gebrochen, aus Bestand ersetzt
Schwimmerkammerdichtung, mit Dirko Silikon ersetzt
>>> und womit??
Wahnsinns Tour! Respekt!

Wenn es sich irgendwie einrichten lässt will ich nächsten Sommer die Route Napoleon durch die französischen Alpen fahren. Das wäre auch noch ein großer Traum von mir.
 
OK, die o.a. Schwalbe hat einen selbstmodifierten 4-Gang Motor (Laufleistung ü30TKM) nebst Selbstbauauspuff und LKR-Zulassung. Es gab davon wohl nicht "viele Exemplare". Alles selbstverständlich ordnungsgemäß eingetragen.... Mein Kumpel war allerdings selbst 25 Jahre lang bei der DEKRA und ist seit längerer Zeit der technische Admin des Royal Enfield Forums. Seine Schwalbe lief auf der BAB immer so um die 90 km/h.... inkl. oftmals geschocktem Blick der LKW-Fahrer beim Überholen....😁
 
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